Aktuelles Allgemein

Schulanfang und ernste Tage

Ich bin nur einmal im Leben 12 Jahre alt. Also jetzt. Ich hab nur diese wenigen Jahre, in denen ich in der Schule lerne, und da passiert so viel Wichtiges! Es ist doch furchtbar, dass so viele andere Kinder auf der Welt das gerade nicht haben dürfen. Die haben doch auch nur dieses eine Leben, auch nur diese eine Kindheit. Und die wird ihnen kaputt gemacht. Von Erwachsenen. Warum tut da niemand was?

Wir arbeiten und leben mit Kindern – und das ist, was sie uns sagen.
Wie betrifft es den Religionsunterricht?

Die Lage der Kinder

Zur Selbstwahrnehmung eines Kindes gehört: Jedes Lebensjahr ist wichtig, prägend – und es gibt kein „Zurück“. Das haben Kinder in den Jahren der Pandemie schmerzlich erfahren müssen. Kinder ziehen eine beunruhigende Schlussfolgerung: Wenn auf Kinder anderswo keine Rücksicht genommen wird, dann erginge es ihnen im Ernstfall nicht anders. Sie sehen das ja an Mitschüler/innen, die mit Kriegs- und Flucht-Biografien in unsere Klassen kommen. Umso wichtiger ist es, ihnen zu signalisieren: Es gibt Erwachsene, die „etwas tun“, die sich der negativen Entwicklung entgegenstemmen.

Bedrohte Zukunft der jungen Generation

Die Schulzeit soll Perspektiven öffnen: Welchen Beruf will ich ergreifen? Wie will ich leben? Welche Gaben darf ich entfalten? Doch Jugendliche heute erleben, dass sich Zukunft verengt. Sicherheiten brechen weg. Ziele sind unklar. Aber es stehen zur Begleitung weniger Lehrkräfte und für die zunehmenden seelischen Erkrankungen viel zu wenig psychosoziale Hilfen zur Verfügung. Wenn es darum geht, die von Erwachsenen geschaffenen Probleme zu lösen, werden Jugendliche in die Pflicht genommen – ohne beteiligt zu werden. Beim Thema Wehrpflicht wird das in existenzieller Schärfe offenkundig: Der Staat greift nach den Lebensjahren junger Erwachsener. Er nötigt der jungen Generation die Bereitschaft ab, ihr Leben einzusetzen: Für ein „greater good“. Es ist erschütternd ungleich verteilt, welche Altersgruppe Probleme schafft und welche sie ertragen muss.

Der Religionsunterricht: Kompetenz im Verstehen und Einordnen von Menschlichem

Religionsunterricht schöpft aus der Erfahrung von Jahrhunderten im Ringen um Krieg und Frieden, Schuld, um Verständnis des Fremden, Verständigung, Krisenbewältigung und Mitmenschlichkeit. Die Inhalte unseres Fachs sind historisch gewachsen und immer wieder gesellschaftlich überprüft worden. Unsere hermeneutische Kompetenz befähigt, in aufgeheizten Prozessen zu klären und einzuordnen.

Gehaltvoller Inhalt schafft Halt

Von außen betrachtet, tun Religionsstunden den Kindern gut, weil man Zeit hat, zu reden und nachzudenken. Tatsächlich aber liegt ihre Wirkung nicht in Zeit und Reden allein, sondern im Gehalt dieses Redens: Und das ist die Fachlichkeit, die Theologie, die spezifische Weltsicht und die psychologisch-philosophische Dimension von Religion.

Der Angst und Ohnmacht nicht ausgeliefert: Empowerment

Wir haben etwas gegen die Angst: Die biblische Tradition (und die aus ihr folgende Lebenshaltung). „Fürchte dich nicht“ ist keine Floskel, sondern die Zusage einer Wirklichkeit, die größer ist als die Bedrohung. Der Religionsunterricht kann auf die geschichtliche Erfahrung zurückgreifen, dass diese Worte des Glaubens und das christliche Weltbild tatsächlich wirksam sind: Von der Bergpredigt über die Friedensbewegungen der Kirchen bis zu gewaltfreiem Widerstand: Der Religionsunterricht zeigt, wie Engagement für den Frieden die Welt bereits verändert hat und weiter verändern kann. Das ist das not-wendige, lebens-mehrende Narrativ, das wir Kindern und Jugendlichen anbieten können.

Förderung der Urteilskraft

Persönlichkeitsbildung im Religionsunterricht geschieht im christlichen Geist und im Geist des Grundgesetzes. Wir verbinden die Wirklichkeiten der Bibel, der Religion, des Glaubens und die Weltsicht des Gottesbezuges mit dem, was den Kindern sonst in der Welt begegnet. So können sie ihre Weltwahrnehmung weiten und damit urteilsfähiger und mündiger werden.

Mit Jugendlichen sprechen und für sie sprechen

Vielleicht ist die Zeit gekommen, dass der Religionsunterricht nicht nur ein Ort ist, in dem Kinder zu Wort kommen. Vielleicht ist es an der Zeit, dass der Religionsunterricht für die Kinder das Wort ergreift und ihre Anliegen in der Gesellschaft zur Sprache bringt. Die kommenden Wochen mit den vielen ernsten Gedenktagen und Aktionen bietet sich an, dass Menschen, die Religionsunterricht geben, hier besonders mit Kindern und FÜR Kinder reden!

Wir erinnern an die Kinderrechtskonventionen. 
18. und 19. Oktober 1945:
Stuttgarter Schulderklärungtskonventionen. 

Im Nachhinein hat man erkannt und erkannt: Es hätte geholfen, mehr zu glauben, zu hoffen und zu lieben. Also: Lernen wir aus der Vergangenheit und beten, glauben, hoffen und lieben wir. Für die Kinder. Für die Zukunft. Für den Frieden. Für die Welt.

Herbst 2025
Die Landesvorsitzende des GVEE
Pfarrerin Katharina Kemnitzer